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«Berg heil!»

Ein Bericht von Martin Gauch, erschienen im reformiert. Juli 2025

«Berg heil!»
So hört man es manchmal auf Berggipfeln. Jetzt, in der Ferienzeit, da die Sommergäste wieder bei uns sind und die heile Bergwelt geniessen. Für Schweizer Ohren tönt dieser Gruss etwas seltsam: Wir verbinden damit doch ganz andere Heil-Grüsse, Grüsse aus den dunkeln Zeiten des Nationalsozialismus.

Wenn wir auf Gipfeln stehen, dann sagen wir einfach: «Gratuliere!», bevor wir uns daran machen, allen die weite Aussicht zu erklären.

Wer schon in den Tiroler Bergen unterwegs war oder sonst in den östlichen Alpen, der wird dieses «Berg-heil» auf fast jedem Gipfel gehört haben. Ich habe dann begonnen, bei den freundlichen Gesichtern nachzufragen und gemerkt: Kaum einer sieht da irgendeinen völkischen oder politischen Zusammenhang. Man grüsst einfach aus reiner Freude. Etwas Nachforschung hat mir gezeigt, dass dieses ‘Berg-Heil’ weit vor 1933 entstanden ist (als Erstes ist der Gruss 1881 beim Wiener Bergsteiger August von Böhm dokumentiert). Des Jägers ‘Weidmanns-Heil’ oder des Fischers ‘Petri-Heil’ wird bei uns ja auch ganz ohne Hintergedanken gewünscht.

Und mehr noch: Im Grunde ist ‘Berg-Heil’ Ausdruck von Demut. Während das ‘Weidmanns-Heil’ dem Jäger Wohlergehen wünscht, so wird mit dem ‘Berg-Heil’ das Heil dem Berg zugesprochen. Verbunden mit der Dankbarkeit des Wanderers, es wohlbehalten auf den Gipfel geschafft zu haben und verbunden mit der Hoffnung, der Berg möge dem Wanderer auch beim Abstieg gnädig sein. Unser «Gratuliere!» ist so gesehen weit unbescheidener: Wir gratulieren uns zum Gipfelerfolg und sind stolz auf unsere Leistung, wir Siebäsiächä! Dabei suchen doch alle das Gleiche, die Gratulations-Wanderer wie die Berg-Heil-Steiger: Die unberührte Natur, die heile Welt in den Bergen.

Und dann stehen wir dort oben und sehen: Auch diese Welt ist nicht mehr ganz so heil. Da schmilzt es hier und bröckelt dort und jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, scheinen ganze Berge herunter zu kommen. Risse in der heilen Welt. Gratulieren können wir uns da nicht – ein ‘Berg-Heil’ wäre wohl angebrachter, sie hätten es nötig, die Berge. Auch wenn die Berge uns immer wieder tief berühren: Das Heil kommt augenscheinlich nicht von dort.

Woher kommt das Heil?

«Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.» (Psalm 121, 1+2).

Das hat ein Dichter vor über 2500 Jahren geschrieben. Der hat Weitsicht gehabt, dieser Mensch. Ganz ohne auf die Berge zu steigen.

Martin Gauch

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